Rollos-Plissee-Modedesign von der Weißensee Kunsthochschule

Von elegant bis exzentrisch: Modestudentinnen entwerfen Kleider aus Rollos & Plissees

In einem gemeinsamen Projekt der Weißensee Kunsthochschule Berlin und dem Sonnenschutz-Unternehmen Livoneo verarbeiteteten Modestudentinnen Plissees und Rollos zu Bekleidungsstücken. Die dabei entstandenen Mode-Outfits aus diesen typischen Einrichtungs-Alltagsgegenständen sind eines garantiert nicht: alltäglich.

Bekleidung aus Fensterdeko entwerfen? Das ist nicht nur ein außergewöhnliches, sondern auch ambitionertes Vorhaben. Denn Textilien für Rollos und Plissees haben ganz andere Eigenschaften als herkömmliche, weich fließende Stoffe der Bekleidungsindustrie. So sind sie zum Beispiel durch Beschichtungen oder einen faltigen Aufbau oftmals sehr viel steifer.

Aber genau diese Herausforderung veranlasste drei Studentinnen von der Weißensee Kunsthochschule Berlin unter der Leitung von Prof. Clara Leskovar und Prof. Doreen Schulz, sich künstlerisch mit dem Thema „Sonnenschutz & Modedesign“ auseinanderzusetzen.

Für die Studienanfängerinnen Teresa Eichler und Charlotte Mende waren die Rollo- und Plissee-Entwürfe die allerersten Projektarbeiten an der Kunsthochschule, während die Masterstudentin Julia Kamenz gleich ihre komplette Hochschul-Abschlussarbeit dem Thema widmete.

Ausgefallene Textil-Kombis: Rollo trifft auf Bikini & Buchbinder-Material

Um die Fensterdeko-Stoffe von Livoneo künstlerisch in Szene zu setzen, nutzten die Modestudentinnen bewusst auch Textilien mit völlig konträren Merkmalen. Da wurden unter anderem Rollostoffe mit dünnen, elastischen Bikini-Jersey-Stoffen oder durchsichtiger Buchbinder-Gaze kombiniert. Ein anderes Outfit wurde beispielsweise aus einem Plisseestoff und einem sehr viel kompakteren Polsterstoff hergestellt.

So gegensätzlich wie die Stoffkombinationen fielen am Ende auch auch die fertigen Bekleidungsmodelle der Studentinnen aus. Ein klassischer, eher zurückhaltender Modestil war darunter ebenso zu finden wie extrovertierte, flippige Looks.

Die folgende Fotoserie zeigt die verschiedenen Entwicklungsstufen der Outfits – von der ersten Ideen-Skizze bis zur finalen Modekreation. Und in Kurz-Interviews geben Prof. Clara Leskovar und die Masterstudentin Julia Kamenz persönliche, spannende Einblicke in die Welt des Modedesigns.

Mode-Outfit von Charlotte Mende

Das Konzept hinter diesem Modell war, möglichst artfremde Stoffe miteinander zu vereinen und den Kontrast zwischen hart und weich darzustellen. Dazu wurde ein Rock aus steifem Plissee-Material mit einer Jacke aus schwerem Polsterstoff sowie einem Seidenturban kombiniert.




Modell von Teresa Eichler

Zufälligkeit und Gelassenheit in der entstehenden Form ist der Grundgedanke dieses Entwurfes. Dazu wurde ein geknüllter Rollostoff mit der ledrigen Rückseite eines Wollstoffs kombiniert. Die Hose und die Fransen wurden aus Bikini-Jersystoff hergestellt.




Kollektion von Julia Kamenz

Das Spiel mit Gegensätzen, wie Bewegung und Stillstand oder Licht und Schatten, inspirierte Julia Kamenz bei ihren Entwürfen. Die Masterstudentin präsentierte gleich eine kleine 3-er-Kollektion an Outfits aus Plissees und Rollos.




Interview mit Prof. Clara Leskovar, Professorin für Kollektionsgestaltung und serielle Umsetzung an der Weißensee Kunsthochschule Berlin

Prof. Clara Leskovar Porträt

Was sollten Ihre Modedesign-Studentinnen bei der Verarbeitung von Livoneo-Plissee- und Rollostoffen konkret lernen?

Es ging vor allem darum, durch verschiedene Stoff-Volumen eine spannende Silhouette zu entwickeln und eine interessante Materialkomposition zu erzeugen. Auch die Farbe und die Oberfläche der Materialien spielte bei dem Projekt eine wichtige Rolle. Zum Beispiel kam immer wieder die Frage auf: „Wie kann ich durch Farb- und Materialkontraste die Form der Bekleidungsteile betonen und verstärken?“

Was ist das Reizvolle daran, aus Rollos oder Plissees Kleidung zu entwerfen?

Rollo- und Plisseestoffe haben durch ihre Materialität andere Eigenschaften als typische Bekleidungsstoffe. Sie sind durch Beschichtung versteift, können aber trotzdem transparent oder ganz lichtundurchlässig sein. Bei den Plisseestoffen kommt hinzu, dass man sie sehr schmal falten und im nächsten Moment eine große Fläche erzeugen kann.

Durch Rollo- oder Plisseestoffe kann man einfacher vom Körper weg arbeiten – also einen Raum, ein Volumen erzeugen. Bei Bekleidungsstoffen kann man dafür einfacher am Körper arbeiten, sie fallen weicher als beispielsweise Rollostoffe.

Sind die daraus entstandenen Bekleidungsmodelle eigentlich alltagstauglich?

Nein, aber die Tragbarkeit stand bei diesem Projekt auch nicht im Vordergrund. Hier ging es im Wesentlichen um eine Form- und Materialstudie für die Studenten.

Internationale Star-Designer präsentieren auf Shows gerne Modekreationen, die ebenfalls nie in den Handel kommen. Oft können die Models in den notdürftig zusammengehefteten Kleidern auf dem Laufsteg nicht einmal richtig laufen. Warum werden von Modeschöpfern solche „untragbaren“ Kreationen entworfen?

Es gibt Teile in Kollektionen, die vor allem für Präsentationszwecke entwickelt wurden. Sie transportieren oder verdeutlichen oft den „Look“ einer Kollektion. Mir gefällt es, wenn beim Entwurf nicht immer an erster Stelle an den Verkauf gedacht werden muss, sondern an die Fantasie und an die Kreativität. Die Verarbeitung ist aber meistens auch sehr hochwertig. Die Firmen können sich eine schlechte Verarbeitung gar nicht leisten.

Haben Ihre Studenten vor dem gemeinsamen Projekt mit Livoneo schon einmal Industriestoffe verwendet, die überhaupt nicht für den Bekleidungssektor vorgesehen sind?

In allen Design-Fachgebieten werden Projekte mit der Industrie entwickelt. Für die Studierenden ist das eine große Bereicherung, weil sie normalerweise nicht an solche Stoffe oder Materialien kommen.

Was war das ungewöhnlichste Material, das bei Ihnen jemals zu Mode verarbeitet wurde?

Eine Studierende hat mal Bekleidung aus Beton entwickelt – ein äußerst festes Material, das viel Druck und Kraft aushält. In der Kleidung wurde er sehr dünn und in mehreren Schichten aufgetragen. Dadurch wurde der Beton ganz porös und hat seine Funktion aufgegeben, aber seine ästhetischen Reize behalten. Das war auch sehr spannend.




Interview mit Julia Kamenz, Masterstudentin an der Weißensee Kunsthochschule Berlin

Julia Kamenz Porträt

Sie schreiben Ihre Masterarbeit zum Thema „Sonnenschutz & Modedesign“. Das ist ungewöhnlich. Warum haben Sie sich dafür entschieden, ausgerechnet aus Fensterdekorationen Kleidung zu entwerfen?

Ich finde das Thema spannend, weil es viel Freiraum und Interpretation zulässt. Hinzu kommt, dass ich gerne mit Materialien arbeite, die man sonst eigentlich eher weniger in der Mode findet und probiere damit gerne neue Dinge aus. Das ist immer eine kleine Herausforderung und am Anfang weiß ich manchmal selbst noch nicht, wo der Weg eigentlich hinführen soll.

Welche Arten von Sonnenschutz haben Sie für Ihre Designs verwendet?

Ich wollte bei meiner Abschlussarbeit unbedingt mit Plisseestoffen arbeiten und habe diese in einer Plissee-Brennerei plissieren lassen. Außerdem habe ich mit Rollomaterial von Livoneo gearbeitet.

Was fasziniert Sie speziell an Faltstoffen?

Die plissierten Stoffe haben einen anderen Fall als glatte Stoffe. Die Falten geben dem Stoff mehr Bewegung und das Spiel um den Körper ist ein ganz anderes. Es entsteht ein Spiel zwischen Licht und Schatten. Dadurch entsteht der Eindruck, dass der Stoff immer in Bewegung ist.

Wie gehen Sie bei Ihren Entwürfen konkret vor?

Meist zeichne ich zuerst und dann gehe ich an die Puppe und probiere die Formen aus. Erst da merkt man dann, was wirklich funktioniert und was nicht. Manche Formen funktionieren am Körper oft anders, als man sich das vorher gedacht hat und am Ende entstehen ganz neue Dinge.

Was hat Sie bei der Verarbeitung der Stoffe am meisten überrascht?

Rollostoffe lassen sich wesentlich einfacher als klassische Modestoffe verarbeiten. Das Material franst nicht aus und die Kanten können offen verarbeitet werden. Dies vereinfacht die Verarbeitung enorm. Anders gestaltete sich das mit den selbst plissierten Stoffen. Vieles hat in der praktischen Umsetzung zuerst nicht geklappt und man musste sich einen neuen Weg überlegen. Gerade die Kantenverarbeitung, Saum und Rundungen sind schwierig mit den Falten. Bei den Rundungen habe ich innen meist ein Schrägband gegengenäht und bei der Kantenverarbeitung mit einer Transferfolie gearbeitet. Diese wird aufgebügelt und verhindert das Ausfransen des Stoffes.

Wo sehen Sie Ihre berufliche Zukunft? Eher in einer Kunsthochschule oder möchten Sie konkret als Modedesignerin arbeiten?

Vorstellen könnte ich mir beides. Aber ich möchte nach meinem Studium zuerst als Modedesignerin arbeiten, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Später könnte ich mir vorstellen, an einer Kunsthochschule zu arbeiten.